Schluss mit Schwanzvergleich: Alphamob produziert antipimmeligen Rap

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30. April 2018

Rap, das ist ewiger Schwanzvergleich, geile Bitches, dicke Karren, dollar dollar billy y’all und – ganz aktuell – Antisemitismus allerorten? Hell no! Es gibt zum Glück noch Protagonisten in der Rap & Hip Hop Szene, die angetreten sind, um dem vorherrschenden Machismus aus der Steinzeit ein freshes, zeitgemäßes und entspanntes Weltbild entgegenzusetzen, das Frauen als gleichwertige Homies begreift, kein Problem mit Homosexualität hat und diese Haltung auch in der Musik widerspiegelt. Ein seltenes Exemplar dieser Gattung ist der Hamburger Rap Produzent Amedeo Malagia aka Alphamob. Mit seinem hoch gefeierten Swaffle Phonk shaket er seit 2017 die internationale Bass-Szene durch – und mit seiner Party-Reihe Nite of The Trill, die er mit seiner Partnerin in Crime Phonkycool veranstaltet, ganz Hamburg. Wir treffen den gar nicht mal so soften Softirap-Produzenten in seinem Castle in Hamburg-Blankenese, wo wir über lost kids, Memphis Phonk und natürlich sein neuestes Tape Release „Swaffle Phonk II“ sprechen.

homtastics: Ein Rap Produzent in Blankenese? Wie real ist das denn?! Ist das noch Low Budget? Was hat dich hierher verschlagen, Brudi?

Amedeo Malagia: Die günstigeren Mietpreise! (Lacht.) Und eben der Zufall, hier was Schönes gefunden zu haben.

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Ich find Memphis Rap geil, weil es anti ist. Memphis versucht gar nicht erst, gut auszusehen.

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Deo wohnt mit Freundin und Katze in einer 3-Zimmer-Wohnung in Hamburg-Blankenese.

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Du lebst in einem gutbürgerlichen, schön ruhigen Umfeld. Gefällt’s dir?

Ja, schließlich bin ich nicht mehr zwanzig. Da, wo ich lebe, möchte ich es gemütlich haben. Zum laut sein fahre ich ins Studio oder in die Stadt. In Hamburg kann man auch nicht mehr unbedingt da wohnen, wo man will. Man muss nehmen, was man bekommt. Und die Stimmung hier auf den Straßen ist echt entspannter. Hier herrscht keine Ellenbogenmentalität. Unser Schrebergarten ist in Allermöhe, da sind die Leute nicht so gut drauf wie hier. Verständlicherweise, der Hustle ist da einfach härter.

Du produzierst Memphis Phonk – warum gerade Memphis? Was ist das Besondere daran?

Ich höre schon immer Rap. Memphis Phonk habe ich für mich entdeckt, weil der Rest irgendwann boring wurde. Es ist eine Nische, die nie so fame, aber sehr stilprägend war für Richtungen, die heute populär sind. Die Südstaatenmucke dominiert gerade alles, das war zur Jahrtausendwende überhaupt nicht so. Da gab es Ostküste und Westküste. Ich find Memphis geil, weil es anti ist. Memphis versucht gar nicht, gut auszusehen. Es ist ein bisschen assi, das mag ich.

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Ok!

DIY und Low Budget spielen dabei auch eine Rolle, richtig?

Man macht viel selber und es muss auch nicht alles perfekt sein. Es darf klappern und schrabbeln und knuspern. Daraus haben sich auch schon wieder neue Stile entwickelt, die in die Richtung Emo und Pogo gehen. Das finde ich sehr interessant, weil hier andere Themen aufgegriffen werden als im Standard Rap à la Money and Bitches. Es geht um Depressionen, Emotionen, Abfuck und Tod. Dinge also, die immer around sind, aber eher weniger Beachtung finden.

Ist Memphis Rap der Antagonist zur Guten-Laune-Musikindustrie?

Es wird zumindest nicht die ganze Zeit darauf aufgepasst, dass man latent einen dicken Pimmel präsentiert. Man darf auch weinen und traurig sein. Und es geht nicht darum, die ganze Zeit das Bild erzeugen zu wollen, dass man ein total krasser Mann ist, der alles schafft und die Bitches bumst.

Wie erfrischend!

Das ist angenehm! Je doller die Menschen auf ihr Bild achten, desto weniger echt ist dieses Bild. Ich kann diese ganzen Stereotypen nicht mehr ertragen, die ihren Pimmel als den längsten erachten. Man darf natürlich darüber gern reden, dass man Frauen flach legt, aber es geht um das wie. Man darf sehr gern nasty, brutal und hart sein, aber es geht um eine gemeinschaftliche Sache. Und es ist eben auch nicht schlimm, wenn man nicht den Dicksten hat …

… das kann ich jetzt leider nicht beurteilen …

… ich auch nicht. Ich vermute, dass es nicht so schlimm ist. (Lacht.)

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Je doller die Menschen auf ihr Bild achten, desto weniger echt ist dieses Bild.

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Hast du das Gefühl, dass diese Einstellung auch in der Crowd ankommt?

Ja. Ich mache ja die “Nite of The Trills” Partys in Hamburg und wir waren die Ersten, die diese antipimmelige, downe Emo Musik gespielt haben. Die Leute, die zu den Partys kommen, sind eher Anfang 20 und haben uns gesagt, dass sie, bevor es die Reihe gab, nie ausgegangen sind, weil sie keinen Ort kannten, an dem ihre Musik gespielt wird. Das ist eine neue Art Hörerschaft, die mit der geläufigen Hip Hop Szene gar nichts am Wickel hat. Hip Hop ist mittlerweile sowieso so groß, dass es vollkommen klar ist, dass die eine Seite nicht unbedingt was mit der anderen Seite anfangen kann. Das war im Rock damals nichts anders, ein Grind Core Freak will auch nichts mit einem Softrocker zu tun haben.

Es haben sich viele kleine Szenen innerhalb des Hip Hops gebildet.

Total und es gibt mittlerweile sehr viele gute Leute, die aktiv sind, sodass es manchmal schon ein größeres Angebot als Nachfrage gibt. Drei Hip Hop Partys dieser Art an einem Abend funktionieren nicht in Hamburg.

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Es gibt ein größeres Wir-Gefühl, weil mit Offenheit Grenzen eingerissen werden.

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Heiß begehrt: Die Promo-Schals von Deos „Nite of The Trill“-Partyreihe.

Was macht die Crowd noch aus?

Die sind super energetisch. Es sind viele Rich Kids dabei, aber auch Opfer Kids, die gut aussehen. Es gibt ein größeres Wir-Gefühl, weil mit Offenheit Grenzen eingerissen werden. Auf vielen normalen Hip Hop Partys ist es ja total öde, weil die Leute nur rumstehen. Aber selbst wenn die Leute schlecht drauf sind, entsteht eben eher ein Wir-Gefühl, als wenn alle gelangweilt sind und nur rumgucken.

Klingt nach einer guten Entwicklung.

Der Drogenkonsum ist allerdings extrem. Die sind nicht auf den klassischen Designerdrugs unterwegs, sondern auf Medizin wie Codein, Xanax oder Tilidin. Raver sind dagegen Grundschüler.

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Sind die young kids heute noch mehr lost?

Natürlich ist man als junger Mensch durchaus lost. Generell war Hip Hop schon immer näher an bildungsferneren Gruppen, wobei nicht nur die lost sind. Ich habe den direkten Vergleich zu den Ravern und da gibt es einen Unterschied. Im Hip Hop ist weniger Hedonismus, da kommen teilweise Kids aus einer kack Familie, aus einem kack Viertel und hatten noch nie Kohle in ihrem Leben. Es ist klar, dass die sich anders benehmen und ein Stück weit unbewusster mit ihrem Leben umgehen. Die haben andere Prioritäten und kennen es auch nicht anders. Wenn alles abgefuckt ist, läufst du nicht strahlend durch die Gegend.

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Dadurch, dass Hip Hop emotionaler geworden ist, sind auch wieder mehr Frauen am Start.

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Nun ist der Frauenanteil im Biz immer noch deutlich geringer. Wie nimmst du das wahr?

Dadurch, dass Hip Hop emotionaler geworden ist, sind auch wieder mehr Frauen am Start. Hip Hop kann straßenblockbezogen Atzenmusik sein, da ist die Frau eigentlich nur Staffage. Wenn du so Leute privat erlebst, dann sitzen die Frauen echt nur daneben und werden überhaupt nicht einbezogen. Das ist für mich total befremdlich, weil ich es so nicht kenne. Bei den neueren Spielarten des Hip Hops ist das anders, da gehören Frauen selbstverständlich dazu und es wird auch normal mit ihnen umgegangen. Grundsätzlich sind sie natürlich immer noch total in der Unterzahl, aber es ändert sich langsam.

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Wie steht’s mit Homophobie? Warum haben Rapper so viel Angst vor fremden Penissen?

Das ist die große Frage! Vielleicht, weil ihrer kleiner ist? Erziehung? Im Geist von sehr pimmeligen Menschen bist du als Schwuler nur ein halber Mann, dementsprechend darf es auf keinen Fall sein, so wahrgenommen zu werden.

Deine Musik gibt es auf Tapes und du bist fester Teil der Tape Release Szene – was macht die Faszination eines fast schon vergessenen Tonträgers aus?

Ich finde grundsätzlich gut, wenn Musik greifbar ist. Wenn sie ein Cover hat und sie ohne Strom verfügbar ist. Ich mag einfach Tonträger, sie sind wie die Erweiterung der Musik und des kreativen Drumherums.

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Wenn jeder Musik haben will, soll er sie kriegen.

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Ist das Tape die neue alte Schallplatte?

Tapes sind einfach zu produzieren und somit billiger. Du kannst sie einfacher als Gimmick raushauen. Jeder Dödel kann ein DIY-Tape machen.

Geht es dabei um Exklusivität und Verknappung?

Mir nicht. Ich stehe nicht auf Verknappung. Wenn jeder Musik haben will, soll er sie kriegen. Ich produziere auch nicht Tapes, damit sie irgendein Reseller für das Zehnfache weiterverkauft. Natürlich gibt es Sammler, die den Wert einer Musik über die Rarität definieren, aber das macht aus meiner Sicht keinen Sinn, denn die Musik ist ja die gleiche. Natürlich mag ich auch Dinge, die irgendwie besonders sind, aber wenn 500 Leute ein Tape haben wollen, dann ist das für mich nicht viel. Für einige aber schon.

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Es wird dann schnell auch wieder elitär.

Genau, dann kriegen wieder nur die Leute die Tapes, die die richtigen Leute kennen. Dann ist es fast schon wieder ein patriarchalisches Problem, also ein Thema, was ich eh auf allen Ebenen verteufele.

Wie viel Geld gibst du im Monat für Tapes aus?

Wenn ich ein spezielles Release haben will, kostet ein Tape auch schon mal 80 Euro. Mehr würde ich auch nicht unbedingt ausgeben. Und es gibt eben auch tolle Tapes für 8 Euro inklusive Porto.

Wann kommt dein neues Tape raus? Wer macht alles Features?

Das neue Tape ‘Swaffle Phonk II’ kommt im Juni raus, mit Features von Tightill, Baker, DiscoCtrl, Lord Pusswhip und Donvtello. Und dazu noch 1 bis 3 Videos.

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Alphamob ist für mich wie mentale Frischluft, es geht darum, Spaß am Musik machen zu haben.

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Womit verdienst du dein Geld? Wie kannst du das afforden?

Ich mache vor allem Musik-Promotion aber auch andere freie Jobs im Medienbereich. Alphamob ist für mich eher wie mentale Frischluft, es geht darum, Spaß am Musik machen zu haben – ohne volle Kanne im Musikgeschäft zu hängen. Wenn du es drauf anlegst, mit deiner Musik Geld zu machen, geht es nur noch zu einem sehr kleinen Teil ums wirkliche kreativ sein. Den größten Teil verbringst du dann in den Strukturen der Musikindustrie und das kann dir schnell den Spaß am Musik machen versauen. Grundsätzlich möchte ich in meinem Leben so lange es geht Musik machen. Um Spaß zu haben und um mich gut zu fühlen. Es darf gerne  krude sein und mir ist eigentlich egal, ob andere es mögen.

Außerdem bin ich in einem Alter, wo mir gewisse Dinge egal sind und ich weiß, was mir wirklich wichtig ist. Und ich weiß eben, wie die Musikindustrie tickt und, dass sie eigentlich kaum etwas mit Kunst oder Talent zu tun hat. Wenn man den Faktor Glück bei einer Musikkarriere rausnimmt, dann ist es nur Arbeit und kein romantisiertes Musikerdasein. Musik machen und einfach erfolgreich werden, das gibt es so nicht.

Amen. Wir freuen uns auf dein neues Tape, Alphi!

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Hier findet ihr Alphamob:

Fotos: Pelle Buys

Layout: Carolina Moscato

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