Start-up-Advice von den Stadtsalat-Gründern

Im Frühjahr 2015 haben Marcus Berg und Tom Smets ihr Start-up Stadtsalat gegründet. Heute verkaufen sie bis zu 1.000 Produkte am Tag, planen im Herbst die Eröffnung eines Restaurants in Berlin und arbeiten eifrig an der weiteren Expansion. Ihre Business-Philosophie folgt dem Prinzip des Lean-Startups. Was das bedeutet? Möglichst schnell eine Idee in die Tat umsetzen und sie so einfach wie möglich am Markt testen. Mit Stadtsalat ist das absolut geglückt! Wir sprechen mit Marcus (35) und Tom (36) darüber, wie sie ihre Idee auf Erfolg getestet haben, wie Stadtsalat gewachsen ist – und warum das Prinzip „Fail Fast“ ihrer Meinung nach so wichtig ist.

 

homtastics: Stimmt es, dass eure erste Start-up-Erfahrung eine Poker-Community war?

Marcus Berg: Ja, das war unser erstes größeres Produkt. Tom, ich und ein weiterer Kollege haben mit 18 unsere erste Digitalagentur gegründet – und gemacht, was man zu der Zeit so gemacht hat: Websites für Apotheken, Reisebüros, aber auch komplexere Sachen wie ein Buchungsportal. Darüber sind wir an einen Kunden gekommen, der Pokerstrategy, eine Online-Pokerschule, betrieben hat. Die Jungs haben uns gefragt, ob wir nicht Bock haben, einzusteigen. Wir fingen mit fünfzehn Leuten an, zum Schluss waren wir 500 Mitarbeiter mit zehn Millionen Mitgliedern weltweit, es war ein globales Projekt. Ich habe damals vier Jahre lang in Gibraltar gelebt – das war eine spannende Zeit.

Seid ihr direkt von der Schule ins Business eingestiegen? Oder gab es dazwischen noch ein Studium?

Marcus: Ich habe ein duales Studium bei Siemens gemacht, im International Management. Da hatte ich glücklicherweise einen IG-Metall-Vertrag mit einer 35-Stunden-Woche. So habe ich halbtags bei Siemens und halbtags selbstständig gearbeitet. Wenn ich nachmittags nach Hause kam, habe ich bis spät abends am eigenen Projekt gesessen. Tom hat an der FH in Aachen Informatik studiert und hatte einen etwas anderen, aber ähnlichen Ablauf.

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Wir treffen Marcus und Tom im Stadtsalat-Office in der Hamburger Innenstadt.

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Einige Salate aus dem aktuellen Stadtsalat-Menü

War es euer Ziel, ein eigenes Unternehmen oder Start-up zu haben?

Marcus: Ja. Bei mir zumindest. Tom Smets: Als Informatiker war es zu der Zeit sehr einfach, Geld zu verdienen. Bevor ich mit Marcus zusammengearbeitet habe, hatte ich schon eigene kleine Sachen für Kunden gemacht. Ich bin im Prinzip sehr früh in die Selbstständigkeit reingeraten und hatte Spaß daran. Neben den fachlichen Skills haben wir uns schnell auch unternehmerische Skills angeeignet – Marcus natürlich auch durch das BWL-Studium. So ist unser Antrieb gekommen und immer wieder Ideen.

Wie habt ihr euch als Team gefunden?

Marcus: Wir haben uns in der Schule mit zwölf Jahren kennengelernt und irgendwie hat es uns immer zusammengetrieben – von einem Projekt zum nächsten. Wenn wir jetzt nicht Stadtsalat machen würden, hätten wir sofort andere Ideen. Ich persönlich finde Unternehmertum oder selbstbestimmtes Handeln einfach unglaublich spannend. Ich finde es gut, mir den Arbeitsalltag selbst gestalten zu können, für meine Mission zu arbeiten und selbst eine Idee zu entwickeln und umzusetzen. Die Themen Werte und Ehrlichkeit sind mir super wichtig! Mit Stadtsalat können wir uns voll und ganz identifizieren. Es ist ein ehrliches Produkt. Ich kann mir schlecht vorstellen, für einen Pharma-Konzern tätig zu sein … Aber nicht nur im Bezug aufs Produkt, auch gegenüber unseren Mitarbeitern ist uns Ehrlichkeit, Offenheit und Transparenz sehr wichtig. Da haben Tom und ich die gleichen Vorstellungen. Und deshalb funktioniert es auch so gut, wenn wir gemeinsam Projekte aufbauen. 

Wenn wir jetzt nicht Stadtsalat machen würden, hätten wir sofort andere Ideen. Ich persönlich finde Unternehmertum oder selbstbestimmtes Handeln einfach unglaublich spannend.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Stadtsalat zu gründen?

Marcus: Nach Pokerstrategy haben wir über ein paar Umwege unsere Agentur Protofy gegründet. Sie entwickelt Web-Prototypen für Webseiten und mobile Apps. Wir mögen den Ansatz des Lean-Startups: sehr schnell Dinge auf den Markt zu bringen, ohne groß Marktforschung zu betreiben, ohne sich groß Gedanken um Visitenkarte, Logo oder Markennamen zu machen. Bevor du dir Gedanken um einen Markennamen machst, willst du doch herausfinden, wie der „Market Fit“ für dein Produkt ist. Das bedeutet: Passt das Produkt auf den Markt, gibt es eine Käuferschaft, die Lust hat, dieses Produkt zu kaufen? Am Anfang baust du keine Marke auf. Den ersten Kunden ist es egal, ob das „Stadtsalat“oder „Willi Wuff“ heißt – es macht keinen großen Unterschied. Wir gehen sehr fokussiert daran, wie wir Produkte entwickeln.

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Wir mögen den Ansatz des Lean-Startups: sehr schnell Dinge auf den Markt zu bringen, ohne groß Marktforschung zu betreiben, ohne sich groß Gedanken um Visitenkarte, Logo oder Markennamen zu machen.

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Was meinst du damit?

Marcus: Als wir mit Stadtsalat angefangen haben, saßen wir an einem Donnerstag zusammen und wollten ein Start-up gründen, das am Montag starten kann. Wir haben überlegt, was wir machen könnten und sind auf einen Salat-Lieferservice gekommen. Dann haben wir uns gefragt, was für den Market Fit wichtig ist. Das war nicht, die Salate selbst herzustellen. Ich bin also durch die Gegend gefahren, habe die kleineren Salatbars, die es hier in der Gegend gibt, abgeklappert und habe gefragt, ob sie Lust auf einen Test haben: „Wenn jemand bei uns online bestellt, rufe ich euch an oder schicke eine SMS und ihr macht den Salat. Den hole ich dann ab und bringe ihn zum Kunden.“ Wir mussten eh davon ausgehen, dass es erstmal nur fünf bis zehn Bestellungen werden, das war ein rein manueller Aufwand. Wir haben rucki zucki eine Webseite gebaut und uns nicht an Bildern und Markennamen aufgehalten. Es hieß dann einfach www.salat.hamburg.

Als wir mit Stadtsalat angefangen haben, saßen wir an einem Donnerstag zusammen und wollten ein Start-up gründen, das am Montag starten kann.

Wir haben das eine Woche lang getestet und viel daraus gelernt – den Unterschied zwischen Push- und Pull- Marketing beispielsweise. Zum Beispiel haben wir Google-Anzeigen getestet und am ersten Tag mussten wir feststellen, dass niemand bei uns bestellt, weil niemand online eine Salatbar sucht. Also mussten wir uns etwas Anderes überlegen und haben am zweiten Tag hier in der Gegend 5.000 Flyer verteilt und ein bisschen Werbung auf Facebook gestartet, also eher Richtung Push-Marketing. Das hat gut funktioniert. Am Ende der Woche waren wir bei 20 Bestellungen pro Tag. Da merkten wir: Das Interesse, der Appetit, ist da! Legen wir das Projekt zur Seite und packen es noch mal neu an.

Ihr habt also nach der Testphase geschaut, wie ihr ein Business aus der Idee machen könnt?

Marcus: Genau. Der Hintergrund war: Kriegen wir es hin, eine Idee sehr „lean“ am Markt zu verifizieren und Erfahrungen zu sammeln, um unseren Agenturkunden sagen zu können: „Hört mal auf, euch immer diese großen Visionen zu bauen und direkt die ersten 150.000 Euro zu verplanen, sondern legt einfach mal los!“? Man kann Ideen sehr schnell testen und wir treiben es auf die Spitze. Wenn wir mit anderen Gründern reden, versuchen wir immer, sie zu motivieren, sehr schnell an den Markt zu gehen. Das war zunächst der Gedanke – und dass wir daraus wirklich ein Business gemacht haben, kam nach dem Test, als wir merkten, dass die Leute unsere Idee richtig cool finden. Wir haben die Idee für vier Wochen ad acta gelegt, noch mal einen Test über zwei Wochen gemacht und gemerkt, dass es wirklich gut funktioniert. Der nächste Schritt waren eigene Produkte. Der Aufbau der Marke passierte aber erst vier Monate später.

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Es geht immer um Geschwindigkeit, time is money. Wir haben uns einen Testzeitraum von sechs Monaten gegeben und wollten im Schnitt 100 Produkte am Tag verkaufen.

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Was waren die nächsten Schritte?

Marcus: Anfang 2015 sind wir mit der eigenen Produktion gestartet. Es geht immer um Geschwindigkeit, time is money. Wir haben uns einen Testzeitraum von sechs Monaten gegeben und wollten im Schnitt 100 Produkte am Tag verkaufen. Die komplette Produktion haben wir selbst gemacht. Wir haben relativ schnell Hilfe bekommen, aber die ersten drei Wochen lang standen wir alleine da und haben jeden Tag um sechs Uhr morgens angefangen, Salate vorzubereiten, in einer Mietküche. Wir hatten keine Lust, eine Küche zu bauen, das ist sehr teuer. Wir empfehlen immer, unkonventionelle Wege zu gehen.

Aktuell planen wir einen neuen Standort in Berlin, mit Lieferung und Ladenbetrieb, da liegen die Kosten allein für die Küche schon bei 600.000 Euro. Das willst du am Anfang nicht machen, beziehungsweise wäre es einfach viel zu teuer, wenn es dann nicht funktioniert. Also haben wir ein paar Bars abgeklappert, bei denen wir wussten, dass da früher Restaurants drin waren, die also ungenutzte Küchenkapazitäten haben. So sind wir in der Savvy Bar gelandet. Wir haben zunächst reines Mittagsgeschäft gemacht, abends lief ja der Barbetrieb. Das Abendgeschäft haben wir erst gemacht, nachdem wir eine eigene Küche bezogen hatten, das kam ein Jahr später. Nach den ersten sechs Monaten haben wir festgestellt, dass es funktioniert und dass das Mittagsgeschäft läuft, also haben wir uns Investoren gesucht.

Wir hatten keine Lust, eine Küche zu bauen, das ist sehr teuer. Wir empfehlen immer, unkonventionelle Wege zu gehen.

Wie groß war bis dahin euer Team?

Marcus: Wir hatten zwei, drei Aushilfen, die in der Küche mitgeholfen haben. Und natürlich Fahrer. Wir haben mit einem Inline-Kurier zusammengearbeitet, das machen wir heute immer noch. Mittlerweile fahren 25 Fahrer für uns. Tom: Alles, was das Thema Marketing anging, haben wir selbst gemacht, und machen wir auch heute noch. Marketing und Usability der Webseite waren immer in unserer Hand, das sind unsere Stärken, die wir sehr bewusst am Anfang ausgespielt haben.

Was war eure Vision für die Marke Stadtsalat?

Tom: In Bezug auf die Salate war uns von Anfang an klar, dass es gesunde, vollwertige Produkte sein sollen. Dafür hatten wir auch den nötigen Hintergrund: Marcus hat zwischenzeitlich mal das Projekt „Feel Good“ gemacht, bei dem es um gesunde Ernährung ging. Ich persönlich habe mich privat sehr viel mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt und mein Essen zu 90 Prozent selbst gekocht. Ich habe schon immer sehr darauf geachtet, dass kein Bullshit im Essen ist. So kamen wir darauf, Salate zu machen – clean, keine Zusatzstoffe, keine Aromen, alles frisch produziert und aus ernährungsphysiologischer Sicht eine vollwertige Mahlzeit. Darauf haben wir von Anfang an den Fokus gelegt, und so bestanden die Produkte schon zu Beginn nicht nur aus grünem Salat, sondern beinhalteten immer auch eiweißhaltige Produkte und Kohlenhydrate. Wie zum Beispiel Reis, Süßkartoffeln, Quinoa, Pilze … und nicht nur als Topping, sondern als signifikanter Anteil. Die Salate machen dich vollkommen satt, auch wenn du ein hungriger Mensch bist.

Marcus: Außerdem haben wir darauf geachtet, auch in anderen Bereichen „clean“ zu sein, also zum Beispiel recyclebare oder kompostierbare Verpackungen zu nutzen. Und wir wollten dieses Gefühl über die Markenwelt transportieren, so kamen wir auf handgemalte Aquarelle und Naturpapier. Die Themen Webauftritt und Digitalisierung sind dabei aber immer im Fokus – jeder Prozessschritt, den wir machen, muss einen Vorteil ergeben hinsichtlich Digitalisierung. Qualität spielt auch eine wichtige Rolle. Denn wenn du anfängst, mit frischen und Bio-Zutaten zu kochen, merkst du, wie unglaublich teuer das ist.

Bei einer Standard-Kalkulation in der Gastronomie rechnest du immer ein Drittel Warenkosten, ein Drittel Personalkosten und Miete und ein Drittel Gewinn. Das funktioniert bei uns ein bisschen anders, weil wir andere Bausteine haben, wie zum Beispiel die Lieferung – Eilzustellung ist immer sehr teuer. Für uns war schnell klar, dass es ein hochpreisiges Produkt wird. Da wollten wir es gleich auch sehr hochwertig machen. 50 Prozent unserer Zutaten sind Bio-Produkte. Und um Hochwertigkeit zu transportieren, müssen wir den Kunden über den ganzen Prozess mitnehmen und transparent sein – angefangen von der Marketingbotschaft bis hin zur Auslieferung. 

Tom: Da unsere Kerndomäne das Digitale ist, trafen wir die Entscheidung, uns auf das Liefergeschäft zu fokussieren – sonst hätten wir auch irgendwo eine Salatbar eröffnen können. Ziel ist es, das perfekte Produkt beim Kunden abzuliefern. Das heißt für uns: Wir arbeiten auf keinen Fall mit warmen Produkten. Es ist alles so gekocht und abgeschmeckt, dass es kalt schmeckt. Es ist schließlich ein großer Unterschied, ob man etwas warm oder kalt isst.

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Wir haben den Anspruch, das bestmögliche Essen, was man liefern kann, zu liefern.

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Wie wichtig ist für euch die Konkurrenz?

Marcus: Natürlich schaut man sich an, was die anderen machen. So lernt man ja auch viel. Wir haben selbst viel Essen bestellt, haben alles ausgetestet und sind zu dem Schluss gekommen, dass in der Regel die Zustellung nicht richtig funktioniert. Wenn du irgendein Restaurant hast, deine 150 Tellergerichte pro Tag verkaufst und drei Foodora-Bestellungen reinkriegst, liegt dein Fokus niemals auf dem Liefergeschäft. Das beginnt schon bei der Auswahl der Verpackung: Du bestellst das weltbeste Steak, die packen es aber in irgendein Plastik, was vielleicht noch schmilzt, sodass die Sauce rausläuft, das Fleisch ist dann fast kalt, von „medium rare“ ist nichts mehr zu sehen, Konsistenz ist schlimm, Kondenswasser beim Öffnen … es kostet genauso viel wie im Restaurant, hat aber nichts mehr mit dem Produkt zu tun, was du bestellt hast. Da haben wir erkennt, dass es eine Marktlücke für uns gibt, auch wenn wir uns gar nicht als Nischenprodukt verstehen, sondern als Alternative zu den bestehenden Playern. Wir haben den Anspruch, das bestmögliche Essen, was man liefern kann, zu liefern. Und über andere Player auf dem Markt ärgern wir uns nicht, denn das Marketingbudget, das die Konkurrenz ausgibt, hilft dem gesamten Markt beim Aufbau. Die Leute werden dadurch überhaupt erst aufmerksam darauf, sich hochwertiges Essen liefern zu lassen. 

Wie groß ist heute euer Team?

Tom: Inzwischen haben wir ein Team von fünf festangestellten Köchen. Zudem haben wir ein Team von zwanzig Servicekräften. Das muss man sich so vorstellen: Sie fangen morgens um 9 Uhr mit der Vorbereitung an, ab 11:15 Uhr geht das Kerngeschäft los, bis ungefähr 13:30 Uhr.

Marcus: Man kann zu 12 Uhr bei uns vorbestellen, was viel gemacht wird. Das heißt, es entscheidet sich für uns schon um 10:45 Uhr, ob es am jeweiligen Tag gut läuft oder nicht. Beim Mittagsgeschäft sind 35 Prozent der Bestellungen schon vor 11:30 Uhr drin. Um 11:15 Uhr müssen wir mit dem Ausliefern anfangen, damit die Bestellungen pünktlich um 12 Uhr bei den Kunden sind. Wir haben ein großes Liefergebiet, da ist es ein Vorteil, dass wir nur kalt liefern. So können wir die Lieferungen gut koordinieren. Tom: Mittags haben wir 20 bis 25 Fahrer auf der Straße, die auch pünktlich ab 11:15 Uhr mit Bestellungen bedient werden wollen.

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Es gibt Tage, an denen wir mehr als 1.000 Produkte verkaufen.

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Wie schnell müssen die Salate fertig gestellt werden?

Marcus: Wenn richtig viel los ist, besonders bei schlechtem Wetter, haben wir 15 Sekunden Zeit für ein Produkt. Und es muss perfekt aussehen! Wir fertigen es in Reihe: Einer holt den Bon raus, füllt die Basis in die Schale und gibt sie weiter. Der Nächste macht das Topping drauf und so läuft es weiter, wie bei Henry Ford! (lacht) Es gibt immer Kontrollvorgänge – Vier-Augen-Prinzip – um immer sicherzustellen, dass das Produkt perfekt ist. Es ist sehr ärgerlich, wenn Fehler passieren, Fehler sind teuer. Dann muss nachgeliefert werden oder es muss ein Gutschein ausgestellt werden – und abgesehen davon ist der Kunde unzufrieden. 50 Prozent unserer Kunden kommen über Empfehlungen zu uns. Wenn du eine Enttäuschung bei der Bestellung erlebst, wirst du uns wahrscheinlich nicht weiterempfehlen. Deswegen ist der Prozess so optimiert, dass keine Fehler passieren sollten.

Wie viele Salate verkauft ihr an einem guten Tag? Ab welcher Zahl freut ihr euch?

Marcus: Aktuell freuen wir uns bei Zahlen über 700 Salaten am Tag, die nur über die Plattform kommen. Dazu kommen noch Caterings: Das schwankt von ein bis fünf Aufträgen täglich für Events oder Firmen. Es gibt Tage, an denen wir mehr als 1.000 Produkte verkaufen. Wir werden jeden Tag beliefert, da kann man sich vorstellen, was da an Ware zusammenkommt. Wir brauchen mittlerweile 3 Tonnen Rohware pro Woche am Standort Hamburg! So ein Salat wiegt ja nicht so viel, das ist ein ganz schönes Volumen.

Wie kann man sich euren Arbeitstag vorstellen?

Tom: Wir sind immer noch ganz bewusst nah am operativen Geschäft. Marcus macht 90 Prozent des Customer Service, das kostet sehr viel Zeit, ist an manchen Stellen auch sicher nervenaufreibend. Man lernt extrem viel über Kundenzufriedenheit beziehungsweise Kundenunzufriedenheit. Man bekommt ein gutes Gefühl, was mit dem Produkt gerade passiert.

Marcus: Dadurch, dass ich jede Beschwerde – ob über Facebook, Instagram, Twitter, Mail oder Telefon – weitergeleitet bekomme, können wir in kürzester Zeit gezielt einwirken. Und wieder in die Produktentwicklung gehen. Das Feedback geht dann zu Tom und er muss wieder nacharbeiten.

Tom: Genau. Wir haben uns die Aufgaben klugerweise aufgeteilt. (lacht) Mein Thema ist neben den operativen Themen die Produktentwicklung. Aktuell haben wir vier Menüs im Jahr, eins für jede Jahreszeit. Das passt zu unserem Anspruch, mit saisonalen Produkten zu arbeiten und saisonale Kundenwünsche zu erfüllen. Im Winter möchten viele etwas Deftigeres als im Sommer. So ein Menü zu konzipieren, bedeutet zwanzig Tage Arbeit im Quartal. 90 Prozent der Produkte schaffen es gar nicht ins Menü. Den kreativen Schaffensprozess habe ich immer im Kopf, auch wenn ich zu Hause in der Küche stehe und koche, tüftle ich an neuen Produkten.

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Unser Anspruch ist, Dinge wachsen zu lassen. Dinge nur zu verwalten, ist nicht unsere Sache.

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Wie testet ihr die neuen Salatkreationen?

Tom: Am Anfang steht die Frage: Lässt es sich mit unseren Produktionsmitteln produzieren? Können wir die Zutaten gut über unsere Lieferanten beziehen? Sieht das schön aus, passen die Farben zusammen? Dann müssen wir die Preise kalkulieren und schauen, ob es passt. Daraus entstehen etwas reifere Konzepte, die wiederum geben wir an Mitarbeiter weiter und holen uns erstes Feedback ein. So kristallisieren sich nach und nach die Produkte fürs Menü heraus. Die finalen Produkte müssen dann noch fotografiert werden, einen Namen bekommen, Rezepte müssen verfeinert und zu Papier gebracht werden, die Produkte müssen online eingepflegt werden … Parallel dazu der ganze Marketingprozess, das ist dann Marcus‘ Job – super Überleitung! (lacht)

Marcus: Ich kümmere mich um den Großteil des Marketings. Dazu gehört auch Investor Relations, wir haben seit zwei Jahren Investoren im Boot.

Was ist eure Vision für die Zukunft?

Marcus: Expansion – darein fließen heute schon 50 bis 60 Prozent unserer Zeit. Wie gesagt arbeiten wir an einem Standort in Berlin, der im Herbst eröffnen soll. Die Idee ist, Stadtsalat deutschlandweit zu machen. Wir könnten uns sogar eine Internationalisierung vorstellen, wobei der Name „Stadtsalat“ international sicher nicht funktioniert.

Tom: Abgesehen davon, dass wir an das Produkt glauben, und dass es die Zukunft ist, wie Menschen essen sollten, finden wir es spannend, noch intensiver mit Farmen und Produzenten zusammenzuarbeiten. Für uns ist einfach wichtig, dass unsere Arbeit eine Komplexität hat, an der wir uns abreiben können.

Du kriegst nichts geschenkt, es ist immer viel harte Arbeit und oft auch umsonst. Du musst dich immer wieder motivieren, auch wenn es gerade schlecht läuft, irgendwann löst sich dieser Knoten.

Ihr habt große Ziele!

Marcus: Unser Anspruch ist, Dinge wachsen zu lassen. Dinge nur zu verwalten, ist nicht unsere Sache. Wir können gut Dinge von 0 auf 80 bis maximal 90 Prozent bringen. Von 80 auf 100 Prozent, ist nicht unsere Aufgabe. … Wir reden viel über Erfolge, aber es gibt pro Tag ja mehr Misserfolge als Erfolge. Wenn du erstmal den Mietvertrag für deinen Laden unterschrieben hast, kommt es zu einer laufenden Reduktion deiner Wünsche. Es wird immer schlechter, viel schlechter. Du willst die Fassade hochziehen, Fassade wird nichts. Du willst drei Türen reinsetzen, drei Türen werden auf keinen Fall was. Dann funktionieren deine Laufwege nicht mehr, dann kannst du den Tresen nicht dahin stellen, wo du wolltest … das machen wir, denke ich, aber ganz gut, weil wir durch die Jahre im Unternehmertum gewohnt sind, dass es immer Rückschläge gibt. Du kriegst einfach nichts geschenkt, es ist immer viel harte Arbeit und oft auch umsonst. Du musst dich immer wieder motivieren, auch wenn es gerade schlecht läuft, irgendwann löst sich dieser Knoten. Wir brauchen immer diese Knoten – und sie müssen groß sein.

Es juckt euch immer in den Fingern, ein neues Projekt anzufangen?

Beide: Total!

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Was war einer eurer größten Misserfolge?

Marcus: Unser größter Fail waren unsere Foodtrucks. Die waren echt teuer, fahrende Küchen eben. Wir haben sie sechs bis acht Monate lang betrieben, aber es gibt gar nicht so viele Märkte, und bei Events waren die Verkaufszahlen nicht gut genug. Wir haben sie dann unter der Woche zum Liefern eingesetzt und fürs Catering. Nach ein paar Monaten haben wir festgestellt: Nur ein Bruchteil des Umsatzes kommt über die Trucke rein und dafür sind sie zu aufwändig. Also haben wir die Reißleine gezogen und sie wieder verkauft. 

Habt ihr zum Schluss noch einen Tipp für Start-up-Gründer, die vielleicht noch nicht so weit sind wie ihr seid?

Marcus: Ich denke, dass die Idee „fail fast“ super wichtig ist. Eine Idee reift über Monate, du hast sie schon mit Leuten beschnackt, irgendwann bist du bereit, den Schritt zu gehen. Du hast es deinen Eltern, Freunden und Kollegen erzählt, jeder misst dich nun an deinem (Miss-)Erfolg. Du wirst viel Gegenwehr bekommen. Wenn du nach zwei Wochen feststellst, dass das komplett Müll wird, dann erlebst du natürlich eine Enttäuschung – auch im sozialen Umfeld. Es ist dann unglaublich schwer, von dieser Idee loszulassen. Das Absurde ist: Je länger du an dieser Idee herumfeilst, desto schwerer wird es, loszulassen, weil du so viel Energie reingesteckt hast. Aber: So wie man bei Investoren sagt, dass man gutes Geld nicht noch schlechtem Geld hinterher werfen sollte, so muss man das auch mit der eigenen Ressource Zeit verstehen! Man muss wirklich versuchen, einen kleinen Prototypen sehr schnell an den Markt zu bringen, erste Erfahrungen zu machen, und nicht gleich das Welt-Business bauen. Konzentriere dich auf kleine Dinge, setze sie schnell um und akzeptiere sehr früh, wenn es nicht funktioniert!

Konzentriere dich auf kleine Dinge, setze sie schnell um und akzeptiere sehr früh, wenn es nicht funktioniert!

Tom: „Fail fast“ ist schon seit vielen Jahren ein Begriff. Die Kunst ist, das auch wirklich hart durchzuziehen. So wie wir es bei Stadtsalat gemacht haben: eine Woche Zeit für den Test nehmen und dann sehen, ob es funktioniert oder nicht. Die Kunst, um schnell an den Markt zu gehen, ist, sich so weit zurückzunehmen und so minimalistisch wie möglich zu arbeiten. Wir halten auch immer wieder inne – man denkt gerne groß, man möchte gerne viel haben, das verleitet immer dazu, große Pläne zu machen. Aber man neigt dazu, Kosten zu unterschätzen. Man sollte den Mut haben, ein ganz kleines Ding zu testen und dann den nächsten Schritt zu machen. 

Marcus: Auch langfristig sollte man sich immer wieder zur Fokussierung zwingen. Gerade in der Gastronomie: Da fangen die Leute an, noch einen Frühstücksservice zu machen, dann noch eine Kaffeebar und Smoothie anzubieten, und auf einmal hast du alles, aber stehst für nichts mehr. Daher ist meine Empfehlung, immer sehr klare Ziele zu setzen mit kleinem Korridor. Gerne mit einer große Vision am Ende, das motiviert auch. Aber wirklich die kleinen Ziele erreichen und sukzessive vorarbeiten.

Vielen Dank für das interessante Interview!

 

Hier findet ihr Stadtsalat:

Fotos: Sophia Lukasch

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